Prominente Fotofestivals kennt man: Parisphoto, New York Photo Festival, Les Rencontres d’Arles… Alles prominente Orte mit prominenten Schauen und einer Fülle an Fotografie – sich drehend um das eine zentrale Thema: Die Fotokunst.
Was macht also ein kleiner Ort an der Ostsee mit der Idee, ein Fotofestival zu veranstalten, das wie die großen Vorbilder Fotofreunde zum Besuch animiert? Es bedient sich eines äußerst cleveren Handgriffs und macht ein aktuelles und aktuell bleibendes Thema zum zentralen Leitgedanken: Die Umwelt. Gedacht, getan – vor sechs Jahren fand das erste »Umweltfotofestival – Horizonte Zingst« statt. Damals noch mit einem kleinen Aufgebot von Naturfotografen und ein paar Studentenarbeiten.
Im Laufe der letzte Jahre – begleitet von einer Menge Engagement und dem unbedingten Willen, mehr und mehr Fotobegeisterte in der Festivalwoche an die Ostsee zu locken – haben sich das Programm, die Vielfalt der Ausstellenden und vor allem auch die Prominenz der Partner zusehends gemausert. Mittendrin seit Anfang an und maßgeblich an den Geschicken des Festivals beteiligt: Kurator Klaus Tiedge. fotogloria hat mit dem fotografischen Lenker und Denker von »Horizonte Zingst – Das Umweltfotofestival« gesprochen.
fotogloria: »Horizonte Zingst – Das Umweltfotofestival« ein vorausschauendes, gesellschaftlich und politisch relevantes und mehr als zeitgemäßes Thema. Wie kam es dazu?
Klaus Tiedge: Am Anfang stand eine ganz sachliche Analyse. Zingst liegt in einer landschaftlich wunderbaren Region – zwischen der Ostsee und den parallel zur Küste verlaufenen Boddengewässern. Dazu ist Zingst angebunden an den Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft. Das nicht nur ein touristisch attraktives Reiseziel, sondern auch Verpflichtung, zu schützen und zu bewahren. Die Kernkompetenz heißt: Natur. Deshalb ist es sinnvoll gerade an diesem besonderen Ort ein »Umweltfotofestival« zu machen. Horizonte Zingst nimmt damit eine Sonderstellung ein. Es ist ein programmorientiertes Festival, das nicht die Fotografie als Selbstzweck feiert, sondern die Fotografie als Medium einsetzt, um für Natur- und Umweltschutz zu werben. Einer der Kernsätze des Konzeptes lautet: Wir wollen die unsere Gäste für den behutsamen Umgang mit der Natur sensibilisieren. Unscharfes Agieren mit schwammigen Kunstdefinitionen ist unsere Sache nicht. Berührende Dokumentationen und emotional bewegende Weltschilderungen gehören zum festen Bestandteil unserer Ausstellungen. Über 20 Ausstellungen bei jedem Festival und das nunmehr im sechsten Jahr sind ein deutliches Zeichen der Tragfähigkeit des Konzeptes. Zingst setzt auf die Kraft der guten Bilder.
Das Festival geht in diesem Jahr in die sechste Runde – mit Dir als Kurator. Was ist der besondere Reiz Deiner Arbeit?
Erstens: Ich habe große Freiheiten bei der Programmgestaltung. Zweitens: Es gehört zu meinen Aufgaben, die Kommunikation maßgeblich mitzubestimmen. Drittens: Habe ich daran mitwirken dürfen, die Erlebniswelt Fotografie Zingst zu einem ganzjährigen Aktionsspektrum mit drei Höhepunkten zu entwickeln. Jetzt haben wir den Fotofrühling Zingst, das Umweltfotofestival Horizonte Zingst und den aktiven Fotoherbst. Wir haben den Zingster-Weg entwickelt. Zingst ist mittlerweile der Geburtsort wichtiger Ausstellungen, die auf Wanderschaft gehen können. Berlin, St. Petersburg, Köln, Sylt und viele Ort mehr haben Ausstellungen aus Zinst gezeigt.
Die Liste der ausstellenden Fotografen der letzten Jahre liest sich beeindruckend: Von etwa Thomas Höpker, über Gerd Ludwig und Jo Röttger, Peter Bialobrzeski bis hin zu Michael Schnabel. Dazu gesellen sich bekannte Größen der Naturfotografie wie etwa Norbert Rosing oder Michael Martin. Wie überzeugt Zingst?
Ich glaube: die Mischung macht’s. Daraus ist ein gewisser Magnetismus entstanden. Unsere Hauptleistung liegt in der Kommunikation. Unser sogenannter Pressespiegel, die Sammlung aller Veröffentlichungen, hat den Umfang eines richtigen Wälzers. Die Medienpartnerschaften und eigene Publikationen, wie der Programm-Guide, der Horizonte-Katalog, dem Klick-Magazin und die Online-Publikationen, einschließlich social networks, sorgen für einen Aufmerksamkeitswert mit einer Reichweite, die in der Fotowelt einzigartig sind.
In der Schau »One World« wird es in diesem Jahr wieder zu einer Kooperation mit fotogloria | büro für fotografische zusammenarbeit kommen. Das freut uns sehr und macht großen Spaß. Was ist für Dich kennzeichnend in der Zusammenarbeit?
fotogloria ist für mich so etwas wie ein »Themensteinbruch«. Es ist faszinierend, die in dieser Agentur fernab modischer Trends und allgemeiner Mainstream-Fotografie bedeutungsvolle bildnerische Arbeiten versammelt werden. Das ist nicht der oberflächliche Handel mit Bildern, sondern ein Sammelbecken für Fotografie, die es verdient, eine Öffentlichkeit zu finden. Es ist faszinierend, welche weiten und anstrengenden Wege Fotografen gehen, um die Welt zu schildern. Da werden Phänomene aufgezeigt, die es wert sind, gezeigt zu werden. Die Medien, die sensibel genug sind damit Seiten zu füllen werden immer weniger. Da können die Ausstellungsaktivitäten in Zingst für wenig ausgleichende Gerechtigkeit sorgen. Es sind oft die stillen Fotografen, die hier zum Zug kommen. Wenn ihre Werke dann neben bekannten Kollegen hängen, entsteht Aufmerksamkeit. Zingst hat in diesem Sinne schon Starthilfe für große Projekte geleistet und ist gerade dabei es wieder zu tun.
Zeitgleich zu den großen Schauen – etwa in Zusammenarbeit mit National Geographic oder Hasselblad Masters – hat der fotografische Nachwuchs ebenso seinen Platz im Ausstellungsprogramm wie auch ambitionierte Amateure – was macht diese Mischung aus?
Die »Young Professionals« sind für Zingst sehr wichtig. Diese Ausstellungen sind Experimentierbühne und die Basis für internationale Kontakte und Zusammenarbeit. Universitäten von Warschau, Vilnius und Greifswald haben sich zu gemeinsamer Projektarbeit unter dem Motto des diesjährigen Leitmotivs »be careful« zusammengefunden. Es gehört natürlich Mut dazu und birgt erhebliche Risiken, Ausstellungswände bereitzustellen, für Bilder, die erst noch gemacht werden. In Zingst hat sich dieser Mut zum Risiko bewährt. Es wäre aber ein besonderes Thema die Chancen von »Young Professionals« darzustellen. Natürlich hat es da auch Enttäuschungen gegeben. Deutsche Fachhochschulen sind dafür ein besonderes Kapitel mit grandiosen Leistungen und katastrophalen Irrtümern.
Neben dem Ausstellungsprogramm kann man eine Reihe Workshops buchen oder auf dem Fotomarkt die Neuigkeiten von etwa Olympus, Leica und Co. entdecken. Die Fülle der Angebote wird jedes Jahr erweitert und bleibt überraschend für einen so kleinen Ort an der Ostsee – welche Ambitionen hat das Festival für die Zukunft?
Das Workshop-Programm der »Fotoschule Zingst« ist über das ganze Jahr mit attraktiven Angeboten aktiv. Darin steckt auch noch ein erhebliches Entwicklungspotential. Speziell der Bereich der »Master«-Workshops sucht noch aktive Mitwirkende.
Die Einbindung der »Erlebniswelt Fotografie Zingst «in den Fotomarkt ist als gelungen zu bezeichnen. Die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Marken wie Leica, Olympus, Epson, Adobe gehören mit zu den ganz wichtigen Grundlagen dieser Aktivitäten. Über 20 »Kompetenz-Partner« leisten erheblichen Support und sind beim Festival mit ihren Produktpräsentationen vertreten – Tendenz steigend.
Wie geht’s weiter? Gute Frage. Die enge Vernetzung aller Aktivitäten der Ausstellungen, der Fotoschule, die Auslastung des Printstudios, die in Entwicklung befindliche Fotoedition Zingst ergeben in der Summe noch viel Perspektiven für Innovationen. Die »Erlebniswelt Fotografie Zingst« ist unter kulturellen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aspekten phänomenal. Das moderne Max Hünten Haus steht als Zentrum der Aktivltäten symbolhaft als zukunftweisendes Symbol. Zingst ist für Fotografen immer eine Reise Wert. Zum Umweltfotofestival vom 25. Mai bis zum 2. Juni gilt das in besonderer Weise.