#FacesOfPhotography – Teil 154: Astrid Piethan aus Köln

Das tägliche Überleben sicherte sich Astrid Piethan mit ihrer Lehrtätigkeit. Und dank der Förderprogramme des Landes und der VG Bildkunst war es ihr möglich, zwei große und sehr unterschiedlich ausgeprägte freie Arbeiten in den Monaten der Pandemie zu realisieren. Was es mit den »Krisenskulpturen« auf sich hat, wer »Johnny« ist und was ihr fotografisch in der Pandemie fehlt, darüber hat sie mit den #FacesOfPhotography gesprochen:

Astrid, wie geht es Dir?
Mir geht es gut.

16 Monate Pandemie – wie ist es Dir bis hierher beruflich ergangen?
Ich fotografiere normalerweise hauptsächlich Portraits und Reportagen, sowie Tagungen und politische Veranstaltungen. Diese sind alle entweder weggefallen oder durch digitale Formate ersetzt wurden. Daher hatte ich über viele Monate lediglich Einnahmen aus meiner Lehrtätigkeit an der Hochschule Düsseldorf im Fachbereich Medien und dem Institut für Medien- und Phototechnik der TH Köln.
Glücklicherweise habe ich sowohl die Soforthilfe, als auch die NRW Förderungen für Künstler und Künstlerinnen erhalten. Für die unkomplizierte und schnelle Hilfe bin ich sehr dankbar.

»Johnny« – fortlaufendes Projekt seit März 2021

Hast Du in Deiner Fotografie Veränderungen durch die Umstände bemerkt?
Fotografie, so wie ich sie verstehe, hat vor allem mit Menschen zu tun, und damit, wie ich diesen Menschen entgegentrete. Die räumliche Distanz, die durch die Pandemie nötig wurde, hat das Intuitive des Kennenlernens verändert, und die Begegnung zunächst oft etwas ungelenk werden lassen. Das, und das Tragen der Masken, hat mich in meiner Arbeit etwas irritiert. Ich hoffe sehr, daß wir alle bald wieder sorglos und unbeschwert zusammenkommen können.
Durch den Wegfall der Aufträge hatte Ich vermehrt Zeit mich freien Projekten und meiner Webseite zu widmen. Zwei meiner neuen Arbeiten sind durch die Pandemie beeinflusst entstanden.
Die Pandemie hat mir auch gezeigt, wie gerne ich mit der Fotografie reise. Das Umherstreifen im In- und Ausland hat mir sehr gefehlt.

Hattest Du Zeit und Kapazität für freie Arbeiten?
In den letzten Jahren war ich lediglich als Künstlerduo Dan Dryer frei künstlerisch tätig. In unserer Arbeit verbinden wir Fotografie, Video und Installation. Nun sind über die Zeit der Pandemie gleich zwei neue fotografische Arbeiten entstanden.
Während des ersten Lockdowns im März April 2020 habe ich gemeinsam mit Tobias Becker die »Krisenskulpturen«, bestehend aus Skulptur und Fotografie, in einem Haus auf dem Land
erarbeitet. Aus der Serie haben wir zudem auch eine Edition für »Artist in the Box« entwickelt.
Seit März diesen Jahres arbeite ich an einer neuen Fotoserie. Mit meiner fortlaufenden Fotoarbeit »Johnny« portraitiere ich die jungen und zarten aber in gleichem Maße schon bestimmten Anfänge der Selbstfindung und -werdung am Beispiel eben jenes Johnny, in dem ich ihn in seiner Bewegung zwischen seinem beschützenden Zuhause und der »Bühne« für seine jugendlichen Transformationsprozesse, dem (öffentlichen) Außenraum begleite.
In meiner unmittelbaren Nachbarschaft in Köln Ehrenfeld treffen sich seit Corona immer mehr Kinder und Jugendliche in der Passage einer Gewerbefläche und nehmen den öffentlichen Raum für sich ein. Sie eignen sich das Areal durch kleine Interventionen mit vorgefundenem Baumaterialien an und agieren autark. Mir ist der 10jährige Johnny aufgefallen, er ist täglich dort anzutreffen und nutzt gemeinsam mit anderen Kindern die Architektur der Passage als Skate-Parcour. Johnny lebt gemeinsam mit seiner Mutter und seiner vierjährigem Schwester in unmittelbaren Nähe der Passage. Im Umgang mit der Pandemie gewinnt für Ihn der Aussenraum an Bedeutung. Sein Aktionsfeld hat sich mit der Einnahme des öffentlichen Raumes und der neuen Bewegungsfreiheit (mehr Zeit und Eigenverantwortung) erweitert. Er definiert sich in dieser Lebensphase durch das Außen und verspürt einen großen Drang nach Autonomie. Zugleich gibt es eine besondere Nähe und Fürsorge, die Ihn mit seiner alleinerziehenden Mutter verbindet. Die Serie wird durch die Stiftung Kulturwerk der VG Bildkunst gefördert, und wurde gerade bei life-framer zum Thema »youthhood« ausgezeichnet. Beide Anerkennungen bedeuten mir sehr viel und ermutigen mich sehr, wieder vermehrt an freien fotografischen Themen zu arbeiten.



Was denkst Du – wie wird sich die Pandemie langfristig auf die Fotografie und die Fotobranche auswirken?

Ich hoffe sehr, daß sich die Auftragslage entspannt und wieder mehr Geld in die Unternehmenskommunikation und Aussendarstellung investiert wird. Und das dabei individuelle menschliche Bildaussagen an Bedeutung gewinnen.

Was ist Dein persönlicher fotografischer Wunsch für die Zukunft?
Das wir digitale Formate bald weitestgehend hinter uns lassen werden und es wieder viele Begegnungen, Ausstellungseröffnungen und Kulturveranstaltungen geben wird.
Ich sehne mich nach einem lebendigen Austausch und Miteinander …und das ich mit der Fotografie wieder reisen und auf fremde Menschen treffen kann!

Website von Astrid Piethan
Instagram-Feed von Astrid Piethan
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Natürlich können Sie auch gerne über Fotogloria Kontakt zu Astrid aufnehmen – melden Sie sich jederzeit unter 040 609 42 906 -0 oder info@fotogloria.de