Mit seiner Serie »Aufhellungen« hat Enno Kapitza während des ersten Lockdowns konsequent jeden Tag eine kleine Geschichte, Anekdote, Begegnung vor allem im Bild, aber auch per Wort erzählt. Nach 50 Folgen beendete er die Serie und ging in einen arbeitsreichen Sommer.
Vor ein paar Tagen nun, hat er die »Aufhellungen« wieder aufgenommen. Warum das für ihn auch eine Überwindung war, woran er außerdem arbeitet und worüber er im Bezug auf die Fotografie nachdenkt, darüber hat er mit den #FacesOfPhotography gesprochen:
Enno, wie geht es Dir?
Heute morgen – es ist Dienstag, der 3. November – wache ich auf mit der Nachricht eines Terroranschlags in Wien, den bevorstehenden US Wahlen mit ungewissem, schicksalhaftem Ausgang, einem kalten, verregnetem Novembertag und der omnipräsenten Corona-Krise.
Und dennoch. Mir geht es gut. Ich bin gesund, nur ein Bänderriss hat mich die letzten Wochen lahmgelegt. Nichts dramatisches.
Ich blicke zuversichtlich in die Zukunft. Komischerweise mehr denn je.
Wie ist es Dir in den letzten Monaten beruflich ergangen und was bedeutet in dem Zusammenhang der erneute Lockdown (light)?
Schon kurz vor Ende des ersten Lockdowns zeichnete es sich ab, dass ich einen sehr intensiven Arbeitssommer vor mir hatte. Das gipfelte dann in einen goldenen September. Kurzfristige, aber auch von langer Hand geplante Projekte standen an. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich in so kurzer Zeit so viel und so viel verschiedenes fotografiert habe.
Der Lockdown light ist schwer einschätzbar in seiner Tragweite. Jobabsagen hatte ich deshalb noch keine, aber dafür auch keine neuen Anfragen. Und eines meiner Standbeine, die Reisefotografie und Reportagen im Ausland, ist seit März weggefallen.
Zum ersten Lockdown hast Du die Serie »Aufhellungen« ins Leben gerufen. Nun, nach einer Pause geht es damit weiter – was hat es damit auf sich?
Der erste Lockdown war eine ungekannte, globale Krisensituation. Kontaktsperren, Ausgangsverbote, Shutdown der Wirtschaft, alle Jobs von heute auf morgen storniert.
Seit einigen Jahren war ich immer dankbarer geworden für alles, was ich als freier Fotograf erleben durfte. Die Kamera hatte mir unzählige Türen geöffnet. Zu Menschen, Geschichten, Ländern und Herzen. Schicht um Schicht hat sich das in mir aufgetragen. In einem guten Sinne.
Ich fing an die Fotos zu sammeln, über die ich Geschichten erzählen konnte, die Mut machen, ablenken, verbinden und zeigen, dass man nicht alleine auf der Welt ist.
Ich schreibe schon immer gerne. Die tägliche Morgenroutine ein Foto auszusuchen und einen Text dazu zu verfassen hat mir in der Zeit einen konstruktiven Rahmen gegeben.
Nach fünfzig Beiträgen hatte ich viel gutes Feedback bekommen. Es war ein schönes Gefühl, dass ich mit meiner Arbeit etwas bewegen konnte. Eine Frau hat mir sogar Prints abgekauft, die jetzt bei ihr zu Hause hängen und die ihr täglich Kraft geben, wie sie mir neulich erst wieder schrieb.
Die zweite Serie anzufangen, war eine Überwindung. War es doch das Eingeständnis, dass die Krise wieder da ist, vielleicht sogar noch dramatischer als im Frühjahr. Ich weiß auch nicht, ob ich das wieder so lange durchhalten kann. Noch gibt es mir wieder diesen mantrahaften Rahmen. Dennoch, ich bekomme wieder schöne Rückmeldungen und Dank. Die positive Energie alleine ist es schon wert.
Hattest und hast Du Zeit und Gelegenheit darüber hinaus an freien Projekte zu arbeiten?
Im ersten Lockdown habe ich viel fotografiert, erst sehr konzeptlos. Stimmungen, Details, Athmosphäre, Masken am Boden, Absperrbänder.
Bis ich dann in unserem Wald Veränderungen bemerkte und die „Waldheime“ fotografierte. Das ZEIT Magazin hat es veröffentlicht und im Schloss Rochsburg hängt noch bis diese Woche eine große Ausstellung.
Parallel arbeite ich seit letztem Jahr an einem persönlichen Fotoprojekt über meine Eltern.
Dafür war ich mit meinem Vater in Schlesien und meiner Mutter und Tante (die mir ebenfalls sehr nahesteht) in ihrer Heimat Japan.
Was denkst Du, was macht die Krise mit der Fotografie allgemein – wirschaftlich, inhaltlich, stilistisch?
Die Krise hat schon allgemein so vieles verändert, nichts wird mehr so sein, wie es früher war. Was dramatisch klingt, zeigt sich möglicherweise aber nur in kleinen Details, minimalen Verschiebungen, unmerklichen Stimmungslagen.
Was die Fotografie selber angeht wird die Krise auch hier ein Beschleuniger sein. Tendenzen werden sich schneller zu Realitäten wandeln. Honorare werden noch knapper kalkuliert werden, inhaltliche Relevanz wird lange noch an der Krise bemessen werden, was aber auch dazu führen kann, dass mehr Tiefe, Bedeutung und Emotionalität die Oberhand gewinnen könnten.
Stilistisch wird es immer schwieriger sein nicht vom Bildertsunami aus Instagram und der extrem hohen Taktung weggespült zu werden. Daher glaube ich, dass die persönliche Handschrift immer wichtiger sein wird und nicht der Versuch einem Trend zu folgen, der morgen schon wieder von vorgestern gewesen sein wird.
Was ist Dein persönlicher fotografischer Wunsch für die Zeit, die da kommen wird?
Fotografie und deren Rezeption werden immer selbstverständlicher, breiter, beliebiger und die Kommunikation mit ihr scheint schon fast zu einer neuen, globalen Sprache geworden zu sein.
Ich wünsche mir, dass in dieser neuen Umgangssprache, diesem visuellen Esperanto die Poesie und Literatur sich stets weiter entwickelt und Anerkennung behält.
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*Das Foto von Enno hat Ulrike Frömel gemacht.
Natürlich können Sie auch gerne über Fotogloria Kontakt zu Enno aufnehmen – melden Sie sich jederzeit unter 040 609 42 906 -0 oder info@fotogloria.de