David Maupilé aus Hamburg ist sehr froh über die Zeit, die er dank des Lockdowns mit seiner Familie verbringen kann. Darüber hinaus ist er sicher, dass 2020 zwar ein Ausnahmejahr für die Fotografie ist, dass aber Leidenschaft für die Sache und Qualität in der Arbeit nach wie vor der Garant für Erfolg sind. Mit den #FacesOfPhotography hat er darüber und über vieles mehr gesprochen:
David, wie geht es Dir?
Mir geht es sehr gut. Gefühlt scheint seit drei Monaten die Sonne, die Welt hält inne und plötzlich ist für viele Dinge Zeit, die die letzten Jahre zu kurz kamen. Wäre ich alleinstehend und hätte unter Kontaktbeschränkungen die Zeit alleine in meiner Wohnung verbracht, wäre meine Stimmung sicher eine andere. Ich habe das Glück einer Familie mit zwei Kindern, im Herbst erwarten wir unser drittes Kind und ich bin dankbar für extrem viel Zeit, die ich gerade mit meinen Kindern und meiner Frau verbringen darf.
Mein Job hat mich in den letzten Jahren sehr vereinnahmt, ich war oft unterwegs, manchmal bis zu vier Wochen am Stück nicht zu Hause, meine Familie musste oft zurückstecken und ich weiß, das was gerade passiert, trotz allem, auch sehr zu schätzen!
Wie ist es Dir beruflich seit dem Start der Krise ergangen?
Die “Krise” kam, als meine Familie und ich gerade im Skiurlaub in Sankt Anton waren. Wir hatten Tirol jedoch noch vor den Reisewarnungen wieder verlassen und waren am Anfang des Lockdowns wieder in Hamburg. Als Mitte März die Schulen geschlossen wurden, sind wir in unser Ferienhaus an die Nordsee gezogen. Die Krise fühlte sich an wie Urlaub. Unsere beiden Kinder (5 und 8) hatten morgens Aufgaben aus Schule und Vorschule zu erledigen und waren nachmittags im Garten. Wir haben große Radtouren, lange Spaziergänge und Wattwanderungen gemacht. Wochenlang regnete es kein einziges Mal und zumindest für unsere Kinder war alles super. Beruflich wurde mir gleich zu Anfang ein Job in Mexiko abgesagt und nach und nach wurden auch alle weiteren Auslandsreisen gecancelt. Ich hab daraufhin angefangen, das Dach unserer Scheune zum Wohnraum auszubauen und ich habe in Hamburg unseren Keller renoviert. Es gab endlich wieder Zeit meine Bilder bei laif zu aktualisieren, meine Buchhaltung auf Vordermann zu bringen und trotz “Krise” klingelte ab und an mein Telefon. Redaktionell wird zwar wenig aber dennoch weiterhin produziert. Ein Portrait für den Stern, drei Tage für den Feinschmecker, ein Job für die Brigitte, vier Termine für Focus Gesundheit und zwei Termine für DIE ZEIT. Es war nicht wie vor der Krise, aber dafür, dass wir gefühlt im Urlaubsmodus waren, war auch beruflich genug zu tun. Besonders hat mich eine Anfrage für einen Reisebuch-Verlag gefreut. Ich sollte auf Nordstrand, wo unser Haus steht und auf der Hallig Südfall fotografieren. Und als ich bei der Töpferei auf Nordstrand war, fiel mir plötzlich auf, dass ich genau die gleichen Bilder mache, wie vor einem Jahr bei einem Keramik-Künstler in Südkorea, nur dass ich mit dem Fahrrad hier war und nicht davor elf Stunden im Flieger sitzen musste.
Was denkst Du: Wird sich die Fotografie mit der Krise verändern?
Ich hoffe, dass bald die Normalität zurück kommt. Ich denke jedoch, dass Reisen erst wieder in 2021 kommen werden. Die Fotografie verändert sich mit und ohne Krise ständig. Aber jede Veränderung birgt auch eine Chance in sich. Viele Fotografen haben jetzt endlich wieder Zeit für freie Projekte und Zeit sich Gedanken zu machen. Als Fotografen reagieren wir viel zu oft. Wir fotografieren das und fotografieren es so, wie Auftraggeber das von uns erwarten. Aktiv an einer Bildsprache zu arbeiten geht einfacher in freien Projekten. Anstatt abzuwarten was passiert, ist es doch viel spannender sich aktiv darum zu kümmern, wohin die berufliche Reise gehen soll. Als Fotograf kann man aus jeder Situation etwas machen. Ich sehe einzigartige Fotos aus dem menschenleeren Manhatten oder Bilder aus Venedig. Peter Knaup, ein großartiger Fotograf, dem ich in Paris vor 15 Jahren mal assistieren durfte und der letztes Jahr leider verstorben ist, hat vor fünf Jahren einen Bildband gemacht „Stilles Venedig”. Er lebte damals in Venedig und war monatelang zu Sonnenaufgang in der Stadt unterwegs aber es war ihm nicht möglich den Markusplatz ohne Menschen zu fotografieren. Und dann kam Corona und damit für die Fotografen ein Blick auf die Welt, wie es sie davor nicht mehr gab.
Und was ist mit der gesamten Branche?
2020 ist ein Ausnahmejahr! Letzte Woche habe ich die Wirtin im Cuneo, dem ältesten italienischen Restaurant in Hamburg, eröffnet 1905, für DIE ZEIT fotografiert. Sie erzählte, weder im ersten Weltkrieg noch im zweiten Weltkrieg hatte das Restaurant geschlossen. Bei Bombenalarm im zweiten Weltkrieg sind die Gäste in den Luftschutzkeller und haben sich danach wieder an den Tisch gesetzt. So lange wie 2020 war das Cuneo seit 115 Jahren nicht geschlossen. Aber 2021 wird für die Gastronomie, wie auch für unsere Branche, sich die Lage wieder normalisieren. Ich bin ein extrem positiver Mensch und wie alle Fotografen kenne ich Zeiten mit vielen Anfragen und Zeiten mit wenigen Anfragen. Die Kunst für uns Fotografen besteht doch darin, aus jeder Zeit das Beste zu machen.
Was ist Dir an Deiner Fotografie wichtig?
Das Wichtigste an meiner Fotografie und an meiner Arbeit ist meine Begegnung mit Menschen. Die Orte, an die ich durch meinen Beruf komme und die Menschen denen ich dort begegne machen mich zu dem, was ich bin und dafür bin ich sehr dankbar.
Was ist Dein persönlicher fotografischer Wunsch für die Zukunft?
Ich fotografiere Menschen und bin diesen Menschen gerne nahe, man umarmt sich, man gibt sich die Hand, man baut Vertrauen auch durch körperliche Nähe auf. Mein persönlicher Wunsch für die Zukunft ist, dass wenn diese weltweite Pandemie vorbei ist, die Menschen wieder ohne Angst aufeinander zu gehen und die Leute ihre Masken wieder ablegen. Fotografie wird es immer geben, Jobs für Fotografen ebenso, Verlagen geht es schlecht und die Wirtschaft leidet unter der Rezension aber trotzdem werden immer Bilder gebraucht. Diejenigen, für die Fotografie nicht nur Job sondern auch eine Leidenschaft ist, werden immer fotografieren und wenn sie gut sind auch immer von der Fotografie leben können.
Für uns Fotografen wäre 2020 ohne die Pandemie und ihre Folgen wie 2019 und die Jahre davor. Nun ist alles anderes aber die Situation ist eben wie sie ist, wir können daran nichts ändern, wir können nur für uns persönlich das Beste daraus machen.
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