Freie Projekte mit Menschen sind ein großer Teil der Arbeit von Thomas Kierok. So auch sein neues Thema, das in der Zeit des Shutdowns entstanden ist: »ONE«.
Den #FacesofPhotography erzählt er, wie es dazu gekommen ist – aber auch, warum er nicht nach einer Zeit nach der Krise glaubt:
Wie geht es Dir?
Nachdem auch bei mir am Anfang der Pandemie innerhalb von wenigen Tagen alle Fotoaufträge und Workshops bis August abgesagt wurden, bin ich emotional in ein kleines Loch gefallen. Dann habe ich die Balance zwischen Arbeit und Homeschooling mit meinen beiden Söhnen ( 11 und 14 Jahre) ganz gut gefunden. Meine Produktivität und Effizienz ist in der Arbeit allerdings in der letzten Wochen massiv gesunken. Anfangs wunderte ich mich über meine neue Langsamkeit und Gelassenheit. Jetzt ist es schon fast zu einer neuen Gewohnheit geworden. Freunde treffe ich auf ausgedehnten Spaziergängen oder Radtouren durch das menschenleere und leise Berlin und Brandenburg.
Du hast die Krise zum Anlass für eine freie Arbeit genommen: Warum und woran arbeitest Du?
Nachdem viele „Office“ Projekte wie der Relaunch meiner Website abgeschlossen waren, entstand die Idee zu meinen neuen Fotoprojekt „ONE“. Im letzten Jahr ist mein Fotobuch „Hundert“ im Knesebeck Verlag erschienen Hundert Menschen, einen für jedes Alter zwischen 1 und 100 habe ich fotografiert und in ihren Gesichtern den Zeichen der Zeit nachgespürt. Die ausdruckstarken Porträts werden von sieben Kapiteln über das Besondere des jeweiligen Lebensalters begleitet, über die Erfahrungen, die wir sammeln, unsere Begegnungen, die Träume, Hoffnungen und Wünsche, die wir hegen. „Hundert“ zeigt, dass jedes Alter seine Schönheit hat.
Die Fotografien für „ONE“ sind während der Ostertage in Berlin entstanden. Porträtfotografien von Menschen mit Sicherheitsmasken. Ähnlich wie „Hundert“, diesmal allerdings mit Tageslicht, geöffneten und geschlossenen Augen. „Damals“ trugen noch nicht viele Menschen diesen Schutz, weshalb ich auf Wochenmärkten und Supermärkten fremde Menschen in Berlin Mitte, Prenzlauer Berg, Kreuzberg und Neukölln ansprach und fotografierte.
Die Sicherheitsmaske ist für mich das Symbol für die Covid 19 Pandemie und das Jahr 2020. Die Fotografien und der Titel „ONE“ zeigen die Einzigartigkeit und Verbundenheit zwischen uns Menschen. Es war eine grosse kreative Freude die Fotografien von „ONE“ dann noch mit einer befreundeten Cutterin und einem Komponisten zu einem Video zu entwickeln. Das ist bisher mein persönliches fotografisches 2020-Highlight.
Wie sind die Menschen aus dem Projekt Dir begegnet?
Überraschenderweise haben fast alle angesprochenen Menschen sich gern fotografieren lassen. Zum einen fanden sie die Idee des Projektes ganz gut und wollten ein Teil des Ganzen sein. Gleichzeitig habe die Porträtierten sich glaube ich auch durch die Schutzmaske sicherer gefühlt.
Denkst Du, dass die Krise die Fotografie verändern wird?
Es freut mich zu sehen, wie viele Fotografen diese Zeit für eigene und tolle Fotoprojekte genutzt haben. Diese in dieser Zeit entstandenen Fotografien werden in unser kollektives Gedächtnis eingehen.
Die Bedeutung der Fotografie als Zeitdokument wird aus meiner Sicht trotz der Massen von Fotografien zunehmen. Qualität und Kreativität wird sich durchsetzten und Bestand haben. Wie sich die Auftragsfotografie für mich als People- und Portraitfotograf verändern wird, ist für mich schwer zu sagen.
Wir als Fotografen sind auch verbunden mit dieser Zeit, der Gesellschaft und Wirtschaft. Wahrscheinlich wird es eher weniger als mehr Fotoaufträge geben. Die Honorare werden wahrscheinlich auch eher sinken als steigen. Umso wichtiger ist es neue und kreative Ideen und Konzepte als Einzelner und im Team umzusetzen.
Was ist Dein persönlicher, fotografischer Wunsch für die Zeit nach der Krise?
Ich glaube nicht an eine Zeit nach der Krise. Das Leben ist permanente Veränderung und Krisen sind auch große Chancen, sich weiter zu entwickeln. Der Klimawandel, die soziale Ungerechtigkeit und auch die Covid-19-Pandemie betreffen die gesamte Menschheit. Jetzt ist diese sogenannte „Krise“ eine große Chance dringende Veränderungen einzuleiten. Wir sehen, das wir alle miteinander und mit der Natur verbunden sind. Deshalb können wir diese Veränderungen auch nur gemeinsam angehen und zu neuen Lösungen kommen. Das Projekte „ONE“ und meine freien Fotoprojekte sind das Herz meiner Fotografie. Die Freude, die ich als Jugendlicher, als Fotografiestudent und heute als Fotograf beim kreieren und realisieren von Fotografien und Projekte empfinde, möchte ich noch lange genießen. Für mich ist es eines der grössten Geschenke des Lebens Fotograf zu sein.
Website von Thomas Kierok
Video zum Projekt ONE von Thomas Kierok
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YouTube-Kanal von Thomas Kierok
*Das Foto von Thomas hat sein 11-jähriger Sohn Kolja Lev Dombrowski gemacht.
Natürlich können Sie auch gerne über Fotogloria Kontakt zu Thomas aufnehmen – melden Sie sich jederzeit unter 040 609 42 906 -0 oder info@fotogloria.de