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#FacesOfPhotography – Teil 136: Franziska Gilli und Barbara Bachmann aus Hannover und Bozen

Die Fotografin Franziska Gilli und die Reporterin Barbara Bachmann mussten mit Beginn der Pandemie umdisponieren und ganz neue Ideen entwickeln – um ihr erstes gemeinsames Buch herauszubringen. Darüber und was die aktuelle Situation für beide ansonsten bedeutet, haben sie mit den #FacesOfPhotography gesprochen:

Wie geht es Euch?
Uns geht es gut. Das letzte Jahr war turbulent, mit allen Höhen und Tiefen, hat einiges verlangsamt oder verhindert, aber anderes auch ermöglicht. Wir sind dankbar, gesund zu sein und dafür, dass der Frühling bald beginnt.

Was haben die vergangenen Wochen und Monate jobmäßig für Auswirkungen gehabt?
Franziska Gilli: Hinsichtlich meiner Auftragslage sieht es da ähnlich aus wie bei vielen Kolleg:innen. Obwohl ich relativ breit aufgestellt bin und für verschiedene Branchen arbeite, im redaktionellen und Unternehmensbereich ebenso wie Kulturbereich, brach teilweise nahezu alles weg. Zum Glück gab es aber zwischen den Lockdowns eine Phase der Erholung. Gemeinsam mit Barbara Bachmann nutzte ich die Zeit, um ein eigenes Projekt weiter voranzubringen, an dem wir seit drei Jahren gearbeitet haben.
Barbara Bachmann: Durch die Pandemie sind für mich, wie für viele andere Kolleg:innen, bereits geplante Recherchereisen im europäischen Ausland plötzlich weggefallen. Ich musste umdisponieren, näher denken. Ich lebe in Italien und habe auch vorher schon viel hier gearbeitet. Das hat sich im letzten Jahr noch einmal verstärkt. Das war gar nicht schlimm, denn es gibt in diesem Land sehr viele spannende Geschichten zu erzählen und von Seiten deutschsprachiger Medien auch großes Interesse dafür.

Aus: »Hure oder Heilige« – Nationale Demonstration der Bewegung »Non Una Di Meno« anlässlich des internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen.

Ihr habt jüngst ein Buch herausgebracht — was hat es damit auf sich?
Vor kurzem erschien bei Edition Raetia unser erstes gemeinsames Buch »Hure oder Heilige — Frau sein in Italien«. In unserer journalistischen Arbeit haben wir uns immer wieder unabhängig voneinander mit dem Frauenbild in Italien beschäftigt. Daraus ist der Wunsch entstanden, gemeinsam tiefer zu gehen und diesem Thema ein Buch zu widmen. Uns trieb die Neugier, das eigene, so vielfältige Land zu erforschen, in dem auch wir gelernt haben, Frauen zu sein. Denn, so haben wir mit den Jahren verstanden, in wenigen Ländern Europas sind derart festgefahrene weibliche Stereotype so weit verbreitet wie in Italien.
Das Buch ist ein Aufgreifen von heutigen und historischen Gegebenheiten. Ein Wiedergeben von Glück und Trauer, Stärke und Schwäche, Mut und Rückzug. Fotografie und Text sind miteinander verwoben. Wir bewegen uns manchmal gemeinsam, manchmal getrennt zwischen zwei Polen, die unterschiedlicher nicht sein könnten und die sich doch bedingen: die Hure und die Heilige, Maria Magdalena und die Jungfrau Maria. Diese beiden zentralen Frauenrollen des katholischen Glaubens prägen Italien seit zwei Jahrtausenden. Sie sind nicht neu – Feministinnen wehren sich schon lange dagegen –, aber sie sind noch immer aktuell. Ihnen halten wir viele verschiedene Bilder aus der Realität entgegen. Wir machen Frauen zu Protagonistinnen, junge und alte, Analphabetinnen und Universitätsdozentinnen, als Frauen geborene und sich als solche definierende, aus Sizilien wie aus dem Piemont stammende. Auf unserer Reise durch das Land haben uns viele Frauen und auch Männer die Türen zu ihrem Leben, ihren Erfahrungen und Ansichten geöffnet. Das Spannende an diesem Thema war, dass wir rein theoretisch mit allen Bürger:innen des Landes reden konnten, alle haben gesellschaftliche Prägungen erfahren, die uns etwas über das Frauenbild im Land erzählen.

Aus: »Hure oder Heilige« – beim »Miss Italia«-Casting prüft die Jury, ob die Mädchen kameratauglich sind.

Wie steht Ihr generell zu dem Medium Buch in diesen Zeiten?
Wir wollten genau dann in eine letzte intensive Erarbeitungsphase für unser Buch starten, als die ersten Zonen rund um Mailand vor einem Jahr abgeriegelt wurden. Vieles war plötzlich nicht mehr realisierbar. Also mussten wir umdisponieren, neue Ideen finden. Letztendlich hat uns die Pandemie geholfen, denn sie hat Probleme in der Gleichstellung sichtbarer gemacht und mehr Sensibilität in der Bevölkerung für die Thematik geschaffen. Im Dezember 2021 waren in Italien 98% aller neu arbeitslos gemeldeten Personen Frauen. Seit Januar ist »Hure oder Heilige« nun im Buchhandel erhältlich, aber wir haben es selbst noch nicht einmal im Buchladen aufliegen sehen. Die Laufkundschaft fehlt durch den Lockdown, dafür passiert mehr online. Wir planen eine Wanderausstellung mit Material aus dem Buch und eine kleine Präsentationstour, aber wieviel wir davon pandemiebedingt wirklich umsetzen können, müssen wir erst abwarten. Tendenziell haben wir aber den Eindruck, die Menschen kaufen sich zurzeit lieber ein Buch, als einen Online-Event zu besuchen.

Aus: »Hure oder Heilige« – die »Suore Pie Operaie dell’Immacolata Concezione« (Barmherzige Arbeiterschwestern der Unbefleckten Empfängnis) haben ihr Leben dem Ziel verschrieben, ein lebendiges Abbild der Jungfrau Maria zu sein.

Hat die Pandemie Euren Blick auf Eure Arbeit verändert? Verändert sie generell die Fotografie?
Franziska Gilli: Der Blick auf meine Arbeit beziehungsweise meine Arbeit selbst verändert sich auch ohne Pandemie denke ich stetig. Die Pandemie hat die sowieso schon schwierige finanzielle Situation in unserem Beruf aber noch deutlich verhärtet. Darüber habe ich zu Beginn der Pandemie viel nachgedacht. Und irgendwann für mich beschlossen: ich mache weiter und zwar so lange, wie es für mich in Ordnung ist. Die Fotografie hat diese Krise sicherlich inhaltlich verändert und ich bin gespannt, wie es weitergehen wird.
Barbara Bachmann: Die Pandemie hat mir einmal mehr gezeigt, wie sehr ich es liebe, auf Recherche zu sein. Und wie essentiell das für meine Arbeit ist. Eine Reportage kann nicht am Schreibtisch entstehen, sie beruht auf erlebten Tatsachen. Sie liefert Beobachtungen und Einordnungen, zoomt wie ein Kameraobjektiv heran. Sie erzählt in Szenen und erschafft Bilder durch Sprache. Schön finde ich es, mit Fotograf:innen gemeinsam unterwegs zu sein.

Aus: »Hure oder Heilige« – Nationale Demonstration der Bewegung „Non Una Di Meno“ anlässlich des internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen.

Was ist Euer persönlicher fotografischer und textlicher Wunsch für die Zukunft?
Franziska Gilli: Weitermachen zu können ist sicherlich der grundlegendste Wunsch. Weiterhin genug Aufträge zu haben, die mich fordern, mich immer wieder Neues erleben lassen, und die aber auch genug Raum für freie Projekte lassen.
Barbara Bachmann: Die Freiheit und Zeit zu haben, an Langzeitprojekten zu arbeiten, im In- wie Ausland. Wieder reisen zu dürfen und Menschen begegnen zu können wie vor der Pandemie.

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