#FacesOfPhotography – Teil 135: Peter Nitsch aus Bangkok

Peter Nitsch hat in den Monaten der Pandemie die Stille wiederentdeckt und aus ihr heraus ein Buch aus seinem Langzeitprojekt »Tango in The Big Mango« realisiert. Worüber er sonst nachdenkt und was die Kultur- und Kreativwirtschaft für die Bruttowertschöpfung bedeutet, darüber hat er mit den #FacesOfPhotography gesprochen:

Peter, wie geht es Dir?
Danke, jetzt wieder besser. Ich hatte sechs Wochen mit mehreren eingeklemmten Nerven zwischen dem zweiten und fünften Lendenwirbel gerungen – dehnen, schreien, dehnen, schreien, dehnen, Entspannung. Dadurch habe ich auch wieder gelernt mich an vermeintlich kleinen Dingen, wie das Packen der Kameratasche, was ohne Schmerzen nicht möglich war, zu erfreuen und zu schätzen.

Aus: »Tango In The Big Mango’« – a Baudelaire-like photo documentary about Bangkok.

Wie ist – mit Blick auf die Pandemie – die aktuelle Lage in Bangkok und Thailand?
Von den Infektionszahlen aus gesehen ist die Lage gut in Bangkok. Seit Ausbruch der Pandemie vor einem Jahr waren bis dato 27.000 Menschen infiziert. Aktuell sind es etwa 80 neue Infizierte pro Tag in ganz Thailand. Ich glaube das liegt auch daran, dass Thailand eines der wenigen Länder war, die sofort nach Ausbruch einen Einreisestopp verhängt hatten. Danach wurde dieser dahingehend gelockert, das man nur einreisen darf, wenn man sich 14 Tage in selbstbezahlte – für Ausländer – Quarantäne begibt. Bis heute ist diese Regelung in Kraft. Demnächst soll aber die Einreise erleichtert werden. Wenn man eine Covid-19 Impfung vorweisen kann, würde die Quarantäne wegfallen.

Warum bist Du Fotograf?

Für mich ist Fotografie Erinnerungskultur. Ich mochte schon immer gerne Biografien lesen und Menschen beobachten. Von beiden kann man viel für sich und über sich selbst lernen. Fotografie vereint für mich beides in einem und gibt mir die Möglichkeit Menschen und ihre Lebensweisen kennenzulernen.

Aus: »Tango In The Big Mango’« – a Baudelaire-like photo documentary about Bangkok.

Wie sieht die Fotografieszene in Thailand aus?
Die Fotografieszene Thailand und speziell Bangkok ist auf jeden Fall sehr lebendig und vielschichtig. In Südostasien ist fotografieren und fotografiert werden in jeglicher Form im Alltag integriert – man fotografiert nicht nur sondern lässt sich auch gerne fotografieren. Neben kommerzieller Fotografie ist in Thailand die Straßenfotografie weit verbreitet. Portraitfotografen bin ich eher selten begegnet, dafür aber vielen Bloggern, die gerne mit einer Leica Q2 sich selbst oder ihr Essen fotografieren.

Wie schätzt Du die Auswirkungen der Pandemie auf die Fotografie generell ein?
Die Folgen der Coronavirus-Pandemie hat der Kreativbranche die größte Krise seit dem Zweiten Weltkrieg beschert. So würde es die Politik ausdrücken, wenn die Fotografie die Autobranche wäre, um dann im Anschluss einen Investitionsschub anzubieten. Doch seit Ende der 1980er Jahre entwickelte sich die Kultur- und Kreativwirtschaft zu einem der dynamischsten Wirtschaftszweige der Weltwirtschaft. Ihr Beitrag zur volkswirtschaftlichen Gesamtleistung (Bruttowertschöpfung) in Deutschland betrug im Jahr 2019 106,4 Milliarden Euro (Anteil am BIP: 3,1 Prozent). Das muss man sich vor Augen halten. Damit übertrifft die Kultur- und Kreativwirtschaft laut BMWi (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie) in Sachen Wertschöpfung inzwischen andere wichtige Branchen wie die chemische Industrie und Energieversorger. Nur der Fahrzeugbau erzielt mit aktuell 162,1 Milliarden Euro eine deutlich höhere Bruttowertschöpfung. Da liegt für mich der Hase im Pfeffer! Meiner Meinung nach ist die Fotografie Kulturpolitisch völlig unterbewertet. Aber wer als Fotograf Glück hatte, so wie ich, der konnte das durch die Pandemie entstandene Vakuum erst einmal für sich nutzen und inne halten. Die Stille wieder zu entdecken war für mich die wertvollste Erkenntnis der Pandemie.

Aus: »Tango In The Big Mango’« – a Baudelaire-like photo documentary about Bangkok.

Wie ist Dein persönlicher fotografischer Wunsch für die Zukunft?
Das aus der Pandemie-Zeit herüber gerettete »mehr Zeit haben« um eigene Projekte zu verwirklichen. Dieses Zeit-Vakuum war für mich äußerst befreiend. So konnte ich auch mein Langzeit Projekt »Tango in the Big Mango« mit Hilfe von Kickstarter-Unterstützern als Fotobuch realisieren und im Anschluß den Verlag Hatje Cantz als Herausgeber gewinnen. Demnächst wird noch eine Collector’s Edition im Acrylschuber mit signiertem Print bei Chromfeld erscheinen.

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