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#FacesOfPhotography – Teil 142: Andreas Herzau aus Hamburg

Trotz des Mehltaus der Corona-Zeit hat Andreas Herzau intensiv an zwei Buchprojekten gearbeitet – eines davon über die Bamberger Symphoniker, mit denen er in den Monaten der Pandemie eigentlich durch Latein-Amerika getourt wäre. Was ihm Musik generell in seiner Fotografie bedeutet und warum er findet, dass die Fotografie mehr Rock’n Roll gebrauchen kann, darüber hat er mit den #FacesOfPhotography gesprochen:

Andreas, wie geht es Dir?
Neulich sagte mal jemand: Corona ist, wenn Du gefragt wirst, wie geht es dir, und du brauchst erst mal 10 Sekunden … So ähnlich ist das bei mir auch 21, 22, 23 … es geht mir gut, gesundheitlich auf jeden Fall und wirtschaftlich auch einigermaßen – zumal ich zu einer eher privilegierten Bevölkerungsschicht gehöre. Meine größte Sorge ist im Moment auch eher wie von staatlicher Seite diese Krise angegangen wird. Ich hatte mich ehrlich gesagt leider darauf verlassen, dass ein so hochentwickeltes Land wie die Bundesrepublik Krisen besser managen kann und bin bitter enttäuscht worden. Das ganze Hickhack, die teilweise sehr unlogischen Schlussfolgerungen, das Herumgestochere im Pandemienebel, das Hü und Hot und auch die doch sehr einschneidenden Maßnahmen lassen mich – wie vermutlich auch viele andere – langsam aber sicher verzweifeln. A b e r: ich will und lass mir meinen Schneid und meine Zuversicht nicht verderben …



Wie hast Du die vergangenen Wochen und Monate beruflich erlebt?

Als hier im Land die Pandemie begann, war ich gar nicht im Lande sondern in Liberia, wo ich mit einem Stipendium an meinem neuen Buch arbeitete, welches demnächst erscheinen wird (an dieser Stelle ein großes »Danke. Schön.« an meinen unabhängigen Verlag „Nimbus. Kunst und Bücher“, der, obwohl er auch von der Pandemie ziemlich gebeutelt ist, weiterhin meine Projekte unterstützt) Diese Arbeit über Liberia ist eine Auseinandersetzung mit meinem eigenen nordeuropäischen, westlichen Blick auf Afrika und der Versuch eines Paradigmenwechsels am Beispiel von Liberia. Ich hatte das Land während der Bürgerkriege in den 90er Jahren als Fotograf bereist und hatte mir immer vorgenommen nochmals in Friedenzeiten wiederzukommen. Ich musste dann meine Reise im März abbrechen und bin noch mit dem letzten Flugzeug nach Europa zurückgekommen – mehr oder weniger direkt in den ersten Lockdown hinein. Zu dem Zeitpunkt kamen dann auch all die Auftragsstornierungen und Anfang April 2020 hatten sich nahezu alle meine Aufträge für das Jahr 2020 in Luft aufgelöst.
Da ist man Anfangs doch etwas ratlos, allerdings konnte ich das Defizit mit Printverkäufen, dem einen oder anderen neuen Auftrag und mit meiner Lehrtätigkeit kompensieren. Zudem hatte ich ja Zeit und die nutzte ich, um an meinem Liberia-Projekt weiter zu arbeiten: das Buchdesign zu entwickeln, das Editing zu schärfen. Sodass ich nun heute in der glücklichen Lage bin, dass demnächst das Buch erscheinen kann.
Sehr schade allerdings war, dass mein Engagement bei den Bamberger Symphonikern erst mal zum Erliegen kam, da ja alle Tourneen und Auftritte bis heute untersagt sind. Eigentlich wäre ich im letzten Jahr mit dem Orchester durch Latein-Amerika getourt – neben Gastspielen in der Türkei und Polen.
Wiederum sehr gefreut habe ich mich über die Berufung als Gastprofessor für »Fotografie – narrativ und experimentell« an die Hochschule für Künste in Bremen zum Sommersemester diesen Jahres.
Insofern eigentlich alles gut, wenn nur nicht dieses Corona-Thema wie Mehltau über allem liegen würde …

Für die Kultur ist die Zeit extrem – Du bist immer wieder mit den Bamberger Symphonikern unterwegs, was sind Deine Erfahrungen?
Kurz gesagt, es ist schrecklich. Durch meinen engen Kontakt zu den Bamberger Symphonikern bekomme ich die Auswirkungen sehr direkt mit und für diese gut Hundert Musiker*innen samt ihrem Management ist es sehr frustrierend und einschneidend, ein de facto Auftrittsverbot zu haben. Schließlich sind sie es gewohnt, jede Woche mehrmals auf einer Bühne zu stehen, jedes Jahr mehrere Tourneen zu unternehmen und gemeinsam als Gruppe, als Kollektiv vor Publikum zu agieren. Dieser Tage war das Jubiläum zum 75ten Bestehen des Orchesters, anlässlich dessen war ein großes Konzert mit Staatsempfang etc. geplant. Nun wurde es ein Streaming-Event, an dem noch nicht mal der Chefdirigent Jakub Hrůša teilnehmen konnte, da er in Prag festsaß und nicht nach Deutschland reisen konnte.
Und diese Musiker*innen gehören zu einem Staatsorchester, man vermag es sich gar nicht auszumalen, wie es den freiberuflichen Musiker*innen ergeht, die seit einem Jahr fast keine Auftrittsmöglichkeiten mehr haben, kein Honorar, kein Applaus und somit auch keine Bestätigung für ihre Kunst.
Die kreativen Lösungen, Konzerte oder auch Ausstellungseröffnungen via Internet anzubieten, waren Anfangs durchaus ein Mittel die Stimmung hochzuhalten, aber mal im Ernst, wer hat schon neben all den Online-Meetings noch die Zeit und die Lust sich in der sogenannten Freizeit wieder vor den Bildschirm zu setzen. Anfangs war das interessant und neu und wir konnten uns schlaue Gedanken über neue Präsentationsformen machen – was ich durchaus anregend und gut fand – aber nach einem Jahr ist das alles irgendwie schal geworden und wirkt in Teilen nur noch verzweifelt.
Fast schon ironischer Weise ist dieser Tage der zweite Band der Buchreihe »Bamberg Diary #2« erschienen, der mit Text und viel Fotografie über die letzte Tournee durch China im Herbst 2019 erzählt. So können wir jetzt zwar nicht reisen, aber in klugen Texten und Bildern vergangener Zeiten schwelgen.



Was bedeutet die Musik für Deine Fotografie?

Musik gibt mir Halt, Inspiration und gibt meinen Gedanken und meinem Leben Rhythmus und somit auch meiner Fotografie. Während der Vorbereitung zu diesem Interview habe ich mir ein Set von der südafrikanisch-schweizerischen DJ und Musikproduzentin Nora En Pure angehört – welches sie übrigens im Sommer letzten Jahres in den Schweizer Bergen live eingespielt hat.
Aber zurück zur Fotografie und Musik: da gibt es für mich zwei Berührungspunkte. Einmal gibt mir Musik beim Fotografieren die Möglichkeit mich in einen bestimmten Mood zu versetzen, der mir hilft mich auf das rein Visuelle zu konzentrieren. Und dann gibt es noch den Aspekt, dass es gewisse Analogien zwischen dem Komponieren von Musikstücken und dem Editieren von fotografischen Serien gibt. Wenn man sich mal etwas intensiver mit „Der Kunst der Fuge“ von Johann Sebastian Bach beschäftigt hat, ist man auch überrascht, wie methodisch und schon fast mathematisch wissenschaftlich diese Musik ist und so ähnlich verhält es sich mit der Komposition von fotografischen Werken. Es gibt bestimmte Regeln und Gesetzmäßigkeiten in der Rezeption von Bildern und diese müssen erkannt werden, um eine funktionierende Bildstrecke zu kreieren. Was nicht bedeutet, dass man diese Regeln nicht brechen kann oder sollte. Aber ähnlich wie bei den Pianist*innen, die auch erst mal die Grundlagen durchgearbeitet haben müssen um dann anfangen zu können zu improvisieren um die ihnen zu eigene Musik zu spielen. Etwas ausführlicher habe ich das mit dem Artikel »Editing als Rave« auf meinem Blog erklärt, da kann das gerne nochmal nachgelesen werden.

Hat die Pandemie den Blick auf Deine Fotografie und Deine Arbeitsweise verändert?
Ja und Nein. Ich hatte mich schon vor der Pandemie mit meiner Fotografie und der Frage: Wie weiter? beschäftigt. Am Anfang stand da die Frage, ob die Tatsache, dass meine fotografische Handschrift oft als sehr eigen und erkennbar beschrieben wird, gut ist, oder ein Zeichen dafür, dass mir nichts Neues mehr einfällt. Letztlich war das ja auch meine Motivation für das Liberia-Projekt, wo ich erstmals der Farbfotografie einen sehr viel größeren Raum gegeben, das Bildformat geändert und während der Entwicklung des Buches nach neueren Ansätzen gesucht habe, ohne mein vorheriges Schaffen zu verleugnen.
Was mir aber in der Zeit des vergangenen Jahres auch in Gesprächen mit meinen fotografischen Künstlerfreund*innen klar geworden ist, wir brauchen mehr Rock’n Roll in der Fotografie, vor allem in der Präsentation von fotografischen Bildern. Wir Fotograf*innen müssen wieder mehr selbst das Zepter in die Hand nehmen, wenn es zum Beispiel um Ausstellungen, Publikationen geht. Seit Fotografie in den Sphären der Kunst angelangt ist, hat sich die Entwicklung der Präsentation von Fotografie auch verlangsamt – fast bis hin zur Erstarrung. Eine Tatsache, die auch dem Umstand geschuldet ist, dass wir Fotokünstler*innen das Feld Kurator*innen und Entscheider*innen überlassen haben, welche doch stark von bürgerlicher Distinktion geleitet werden. Es hat sich in Teilen der fotografischen Kulturszene ein scheinbar hipper, aber in Wirklichkeit zutiefst bürgerlicher Mief breit gemacht, der oft neue Ansätze nicht mehr zulässt. Dabei gibt es diese Ansätze, nur finden diese wenig Gehör in der elaborierten und etablierten Kunstszene. Ausstellungen in heiligen Hallen der Kultur und leckere Fotobücher sind mit Nichten der Weisheit letzter Schluss.

Was ist Dein persönlicher fotografischer Wunsch für die Zukunft?
Dass ich noch ein paar gute Ideen und Projekte realisieren kann und nicht doch noch anfange Blumen zu fotografieren – auch wenn ich das nicht vollkommen ausschließen kann … ?

Das Buch »Liberia« von Andreas Herzau kann man HIER bestellen.

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P.S.: Das Portrait von Andreas hat MC Hurek fotografiert.

Natürlich können Sie auch gerne über Fotogloria Kontakt zu Andreas aufnehmen – melden Sie sich jederzeit unter 040 609 42 906 -0 oder info@fotogloria.de