Kai Hartmann hat im wahrsten Sinne des Wortes eine Odyssee durch die Lockdown- und Reisewirrungen der Pandemie hinter sich. Zur Zeit ist er noch in Quarantäne und wartet darauf, endlich wieder arbeiten zu können. Was er alles in den letzten Wochen und Monaten erlebt hat, hat der den #FacesOfPhotography erzählt:
Was ist Dein fotografischer Schwerpunkt?
Automotive, Automotive lifestyle, Corporate, Industrial, Aerial – ich möchte mich nur ungern auf ein Gebiet festlegen. Obwohl ich in letzten Jahren hauptsächlich für die Automobilindustrie gearbeitet habe, mag ich es nach wie vor, in Fabriken und Produktionsstädten zu fotografieren.
Was sagt die Joblage zu den letzten Wochen und Monaten? Und aktuell?
Dazu muss ich etwas ausholen – ich mache es kurz: Ich bin im Januar von Shanghai aus erst nach Singapur und dann nach Malaysia geflogen, um vor dem größten und längsten Projekt des Jahres noch etwas aufzutanken. Das Projekt ist im Norden von China. Wir fotografieren für Porsche dort jedes Jahr bei Eis und Kälte und bei bis zu -45 Grad Celsius… Dann jedoch fing das Virus an, in China zu wüten und alle Jobs wurden abgesagt.
Mist, dachte ich, bleibe ich also ein bisschen länger in Malaysia und sitze es aus. Dann, Anfang März, fing mein Computer an zu streiken und da der Reparaturservice nicht sehr vertrauenserweckend war, bin ich nach Singapur geflogen um ihn dort reparieren zu lassen. Da meine Freundin auch dort wohnt, habe ich einen 5-Tage-Kurztrip geplant.
Während ich noch in Singapur bin, beschließt Malaysia allerdings einen Lockdown. Ich entscheide also, in Singapur zu bleiben, obwohl ich noch ziemlich viele persönliche Gegenstände in Malaysia habe.
Ende März buche ich ein Ticket zurück nach Shanghai. Zwei Tage vor meinem Flug verkündet China, dass binnen 24 Stunden keine Ausländer mehr einreisen dürfen. Auch nicht die mit gültigen Aufenthaltsgenehmigungen und Arbeitsvisum… Kaum eine Chance den Flug umzubuchen, die Preise sind astronomisch und Flüge rar. Im Nachhinein hätte ich es allerdings trotzdem machen sollen.
Ok, jetzt stecke ich also in Singapur fest. Alle Kosten laufen in Shanghai weiter. Wohnung, Nebenkosten, alles. Singapur erlässt jetzt auch einen Lockdown, der zehn Wochen anhalten wird. Rausgehen ist nur erlaubt, um Sport in der Nähe der Wohnung zu treiben oder um Lebensmittel zu kaufen. Ich fand es in den ersten Wochen ziemlich bedrueckend, trotzdem ein Dank an Singapur, das mein Visum immer wieder verlängert hat. Falls nicht, wäre mir nur Deutschland geblieben, wo die Epidemie mittlerweile im vollen Gang war. Es war nicht möglich irgendwo einzureisen, außer nach Deutschland.
Wir haben mittlerweile Ende Mai und China erwacht wieder. Kunden fragen für Jobs an, nur leider kann ich nicht einreisen. Verteile sie also auf meine zwei Partner oder an Kollegen. Fühlt sich ziemlich beschissen an. Für einige Jobs produziere ich von Singapur aus.
Immer wieder sondieren wir die Lage. Wie und wann könnte es zurückgehen nach China? Leider ohne Erfolg.
Am 12. August gibt es dann gute Neuigkeiten aus China. Europäer mit gültigen Arbeitsvisum dürfen wieder einreisen. Es gibt mehr und mehr Job-Anfragen. Shanghai und die größten Teile Chinas sind fast wieder im Normalzustand, mit kleinen Ausnahmen. Ein temporärer Vorteil für in China ansässige Fotografen: Ausländische Fotografen können momentan nicht einreisen.
Es dauert über drei Wochen bis wir herausfinden können, wie das Einreiseprozedere abläuft. Neues Visum wird benötigt. Der Witz, eigentlich habe ich ja schon ein Visum. Muss trotzdem nochmal beantragt werden.
In Singapur macht es das chinesische Konsulat extrem kompliziert. Der einzige Weg: Zurück nach Deutschland, um dort ein neues Visum zu beantragen.
Ohne zu wissen, ob es wirklich klappt, reise ich also für das Visum nach Frankfurt. Falls nicht, hätte ich in Deutschland fest gesteckt. Keine Möglichkeit in Singapur oder Malaysia wieder einreisen zu können.
Mit viel Vorplanung hat dann aber alles binnen einer Woche auf wundersame Weise geklappt. Aber auch hier wird es einem nicht einfach gemacht, eher umgekehrt: Ticket über Zürich nach Shanghai gebucht. Der Preis war noch günstig, nur fünfmal so viel wie normal. Es können auch zehn bis fünfzehn mal mehr sein.
In Zürich lässt mich die Airline am Gate nicht ins Flugzeug. Angeblich fehlt ein Stempel auf dem Covid-Test – mir wurde nicht kommuniziert dass dieser Stempel nötig ist.
Zurück nach Frankfurt, und extrem genervt. Flug umgebucht auf den nächsten Tag von Frankfurt direkt nach Shanghai. Dann klappt es endlich. Vier Covid-Tests später sitze ich jetzt gerade in meinem Apartment in Shanghai und warte darauf dass die 14-tägige Quarantäne vorbei geht. In Shanghai gibt es die 7+7-Regelung: 7 Tage im Quarantäne-Hotel und 7 Tage in der eigenen Wohnung. Die Wohnung darf nicht verlassen werden und die Tür hat einen Sensor. Wenn die Tür geöffnet wird kommt sofort ein Anruf: „Wo sind Sie?“ Zwei mal am Tag muss die Körpertemperatur via WeChat an einen Arzt durchgegeben werden. Alles ist ziemlich gut organisiert.
Vielleicht hat ja Shanghai mit seinen 25 Millionen Einwohnern deshalb so gut wie keine neuen Fälle mehr sein Monaten. Sollte der nächste Test auch negativ sein, bin ich ab dieser Woche wieder frei. Geht dann gleich direkt im Anschluss mit einem sieben-Tage-Job in Beijing los.
Woran hast Du in der Zeit gearbeitet?
Wie wahrscheinlich fast alle, habe ich meine Portfolios erneuert, an der Website gebastelt und mich um Administration gekümmert.
In Penang und Singapur habe ich einige freie Projekte realisiert. Alle haben mit Automotive-Lifestyle zu tun.
Ich wollte außerdem schon immer mal ein eigenes Magazin gestalten – ich habe also InDesign gelernt und ein Portfolio im Magazin-Style kreiert. Hat 120 Seiten.
Ich habe mir außerdem angewöhnt, an fast allen Tagen der Woche morgens und abends Sport zu machen.
Darüber hinaus wollte ich schon immer CGI lernen. Aber irgendwie hat immer die Zeit gefehlt. Also habe ich mir einige online-Kurse und etliche YouTube-Videos und Tutorials reingezogen. Habe gelernt HighRes HDRI-domes zu erstellen, gerenderte Autos in Backplates einzubauen und komplette Studioszenen selbst zu bauen. Hat ziemlich lange gedauert und war manchmal ziemlich nervig, viel trial & error. Das Ziel war das es nicht nach CGI aussieht. Meine Freundin hat mich manchmal vom Computer verscheucht, sie meinte ich würde zulange davor sitzen.
Wenn es dann aber mal klappt, macht es Spaß. Ich werde bestimmt kein professioneller 3-D-Designer, aber trotzdem ist es sehr hilfreich zu wissen von was man redet. Außerdem gibt es einem die Freiheit, egal wo man gerade ist und in welcher Situation man sich befindet, Bilder zu kreieren.
Was denkst Du, was wird die Zukunft der Fotografie allgemein bringen?
Schwer zu sagen. Ich kenne zwei Kunden deren Marketing-Budget wurde für 2020 auf fast null gesetzt. Einige Fotografen werden es wahrscheinlich nicht schaffen sich im Zuge der Pandemie über Wasser zu halten und gezwungen sein etwas anderes zu machen. Wäre schade.
Was ist Dein persönlicher fotografischer Wunsch für die Zeit, die da kommen wird?
Neue Ideen umsetzen, die sich in all der Zeit des Stillstands entwickelt haben.
Mehr Normalität. Fliege ziemlich viel durch die Gegend für Jobs. China und Süd-Asien. Mal eben kurz ein Flugzeug besteigen und ins Ausland zu fliegen klingt aktuell nach unerreichbarem Luxus.
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