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#FacesOfPhotography – Teil 90: Alexandra Lechner aus Frankfurt

Alexandra Lechner ist auf mehreren Ebenen in der Fotografie zuhause: Sie arbeitet sowohl als Corporatefotografin als auch als Kuratorin und Festivalmacherin. Mit diesem facettenreichen Blick hat sie mit den #FacesOfPhotography über die Krise und die daraus resultierenden fotografischen Fragen und Folgen gesprochen:

Wie bist Du bis hierher fotografisch durch die Krise gekommen?
Seit Mitte März sind alle Aufträge abgesagt oder auf längere Sicht verschoben. Es blieb nur ein kleiner Auftrag – für Architekturfotografie. Den konnte ich dank bestem Frühlingswetter und genauer Beachtung von Kontaktbeschränkungen durchführen. Inzwischen bessert sich die Situation ganz langsam. Erste kleine Shootings sind gelaufen, für September steht ein größeres Projekt an. Es könnte gerne sehr viel mehr. Aber da ich überwiegend mit Menschen on Location in Unternehmen arbeite, ist eben noch nicht so viel möglich. Auch weil viele Kunden noch überwiegend im Homeoffice arbeiten, es keine echten Meetings gibt oder Außenstehende nicht auf Firmengelände oder ins Gebäude dürfen.
In der Zeit des Lockdowns – und auch jetzt – bin ich dennoch nicht unbeschäftigt. Zusammen mit zwei BFF-Kollegen habe ich Ende März die Blogaktion „Out oft he Blue“ initiiert. Mit dem Blog haben wir es BFF-Fotografinnen und Fotografen ermöglicht, Bilder und Stimmungen aus ihrer Corona-Perspektive zu posten – und damit sichtbar zu bleiben. Aus dieser Aktion heraus hat sich bei mir eine freie Porträt-Arbeit entwickelt, die ich unter dem Titel „Traumbrillen“ Ende April fotografiert habe. Dabei ging es um das, was wir vermisst haben, als wir alle zuhause bleiben sollten. Die „Traumbrillen“ spielen mit schönen Erinnerungen – Orten, Emotionen, Gerüchen, positiven Impulsen. Auf diese Serie habe ich sehr emotionales und schönes Feedback von Kunden und aus meinem Netzwerk bekommen. Überhaupt, Kommunikation und Austausch ist in dieser Zeit für mich sehr wichtig geworden.

Du bist neben der angewandten Fotografie auch im Bereich Ausstellungen / Kuratierung tätig – welche Beobachtungen hast Du hier gemacht?
Ich bin seit vielen Jahren als Festivalmacherin und Kuratorin unterwegs. Es begann 2004 mit der Gründung der Darmstädter Tage der Fotografie, die sich seitdem zu einem der großen Fotoevents in Deutschland entwickelt haben. Seit 2010 arbeite ich auch im Kuratorenteam der Triennale RAY Fotografieprojekte Frankfurt/RheinMain mit, die nächstes Jahr zum 4. Mal stattfinden wird.
Im April hätten die 11. Darmstädter Tage der Fotografie (DTDF) starten sollen. Die Vorbereitungen für die Ausstellungen und das Symposium liefen auf Hochtouren, alle Künstler und Redner waren eingeladen, die Ausstellungsorte bis ins Detail geplant, der Katalog in Arbeit. Dann kam der Stopp – und damit die Überlegung: Was jetzt? Die spannendste Frage war (oder ist noch immer): Kann ein Fotofestival, das vom lebendigen Austausch und Netzwerken lebt, in ein Format übersetzt werden, das ohne echte Begegnungen auskommt? Die DTDF stehen mit dieser Frage ja nicht alleine da. Ich finde es sehr interessant zu beobachten, wie andere Ausstellungsmacher mit Onlineformaten und Onlineausstellungen experimentieren. Da sehe ich viel kreatives Potential. Ich bin gespannt, was davon in Zukunft in Ausstellungen und Symposien einfließt. Vielleicht entstehen andere künstlerische Formate, die Fotografie oder Bilder als Medium freier denken als das gerahmte Bild im Ausstellungsraum. Gleichzeitig habe ich beim Anschauen der Online-Formate für mich festgestellt, dass zumindest mir persönlich der ganz normale Blick auf das gehängte Werk sehr fehlt. Glücklicherweise sind ja nun wieder einige Ausstellungen zu sehen. Das sauge ich dann förmlich auf.
Für die DTDF haben wir uns entschieden, das Festival im Oktober im bewährten Format stattfinden zu lassen – natürlich mit einem veranwortungsvollen Hygienekonzept. Für RAY 2021 laufen die Planungen weiter. Wir denken digitale, alternative Formate mit. Für den Fall dass es erneut zu Einschränkungen kommen wird.

Was denkst Du, welche Folgen wird die Krise für die Fotografie – wirtschaftlich, inhaltlich, stilistisch – haben?
Ich denke, dass die aktuelle Situation wie ein Katalysator ist und viele Aspekte, die auch schon vorher in der Diskussion waren, noch stärker hinterfragt werden müssen. Bezogen auf die angewandte professionelle Fotografie denke ich an Fragen wie: Was ist Fotografie wert, was Honorare oder Nutzungsrechte? Welche Art von Fotografie brauchen Agenturen, Unternehmen und Verlage? Wie verschiebt sich der Markt? Eine andere Frage: Was zeigt Fotografie – und wie? Gerade in der Zeit des Lockdowns habe ich die klassische, fröhliche, superheile-Welt-Werbefotografie als seltsam aus der Zeit gefallen empfunden. Aber wie sieht Werbefotografie – und auch Unternehmensfotografie – zukünftig aus? Und zu guter Letzt stellt sich die grundlegende Frage: Was deckt der Begriff „Fotografie“ ab? Welche technische Basis, welche bildgebenden Verfahren, werden genutzt – und wie gehen wir „Bildermacher“ damit um? Ich finde es enorm wichtig, sich darüber jetzt auszutauschen – als Fotografen untereinander, aber auch mit Auftraggebern und der Zielgruppe.

Und ganz praktisch: Worauf müssen und können sich Fotograf*innen im schlechtesten und im besten Fall vorbereiten?
Mit Bildern, in welcher Form auch immer, werden weiterhin Geschichten erzählt, Inhalte und Botschaften transportiert. Darin liegt das Potenzial für uns Profifotografen. Neben der technischen Umsetzung ist es sehr wichtig, als Fotografin oder Fotograf eine eigene Haltung zu entwickeln, einen persönlichen Zugang zu den Themen der Auftraggeber zu finden. Jeder Kunde verdient eine passende individuelle Note statt optischer Gleichförmigkeit. Wenn alle Ergebnisse gleich aussehen, entscheidet nur noch der Preis.
Das bedroht die wirtschaftliche Selbstständigkeit in der Werbe- und Unternehmensfotografie, aber auch bei den journalistisch arbeitenden Kolleginnen und Kollegen. Corona zeigt, wie schnell es finanziell eng wird, wenn keine Aufträge eingehen und die laufenden Kosten trotzdem weiterlaufen. Schon heute können Fotoschaffende oft keine großen Rücklagen bilden, obwohl sie gut und viel arbeiten. Darum denke ich, dass die Qualität der Arbeit wichtig ist, um als Fotografin oder Fotograf erfolgreich bleiben. Nicht nur die technische Qualität, sondern auch die Kreativität. Außerdem sind die persönlichen und sozialen Kompetenzen im Umgang mit den Kunden für mich sehr wichtig.

Was ist Dein ganz persönlicher fotografischer Wunsch für die Zeit, die kommt?
Corona hat mich reichlich unter Druck gesetzt. Und auch sonst ist die Zeit oft knapp. Ich würde mir manchmal mehr Muße wünschen, um Ideen für die Umsetzung von Aufträgen oder für freie Projekte reifen zu lassen. Mehr Zeit und wirtschaftlicher Freiraum, um etwas mehr experimentieren zu können – und damit vielleicht zu unerwarteten Ergebnissen zu kommen: Das wäre schön. Ein anderer Wunsch ist: Durch den intensiven Austausch unter uns Fotografinnen und Fotografen ist während der letzten Monate ein Gefühl der Verbundenheit entstanden. Ich hoffe, das bleibt – und hilft dabei, unsere Interessen noch besser zu vertreten.

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*Das Bild von Alexandra hat Helma Töpper fotografiert.

Natürlich können Sie auch gerne über Fotogloria Kontakt zu Alexandra aufnehmen – melden Sie sich jederzeit unter 040 609 42 906 -0 oder info@fotogloria.de